Manuela (28)Hörakustikerin

Geburt ohne Baby

Manuela war schon in der 16. Woche, als bei ihrem Kind kein Herzschlag bemerkt wurde. Die stille Geburt zog sich bei ihr über fünf Tage. Fünf traurige, anstrengende Tage. Danach stellte sich heraus, dass ihre Tochter unter einer Omphalozele litt. Hier berichtet sie, wie sie diese extreme Erfahrung verarbeitet hat und sie wendet sich an alle Frauen, die erst kürzlich eine Fehlgeburt erleiden mussten.

Ich wusste schon lange, dass ich Kinder haben möchte. Noch viel mehr, als ich meinen Mann kennenlernte. Wir sind seit neun Jahren zusammen und seit drei Jahren verheiratet. Ich bin jetzt 28 und wollte immer mit 28 das erste Baby bekommen. Im Sommer wollte ich hochschwanger sein, weil ich den Sommer liebe und jeder meinen Babybauch sehen sollte. Wir wollten uns aber vor allem auch Zeit lassen und unser Leben ohne Kind genießen. Wir haben nie einen Zeitpunkt geplant und wollten mit der Familienplanung loslegen, wenn es uns richtig vorkommt.

Dann passierte alles ganz plötzlich - Und das war die schönste Überraschung meines Lebens!
Mitte 2020 habe ich die Pille abgesetzt (Gar nicht wegen Familienplanung, sondern um keine Hormone mehr zu schlucken). Wir haben einfach mit Kondom verhütet oder "aufgepasst". Wir haben beide feste Jobs, gutes Einkommen, eine große Wohnung,... Wir sagten uns, wenn ich schwanger werde, passt einfach alles und das wäre toll!

Aber wirklich damit gerechnet habe ich nie. Im Januar 2021 wurde mir dann immer schlecht beim Zähne putzen, meine Brüste taten weh, ich hatte ein ungewohntes Gefühl im Bauch und konnte nur am Babys denken. Ich habe aber irgendwie immer noch nicht wirklich dran gedacht, schwanger zu sein. Dann habe ich abends heimlich einen Test gemacht. Schon nach 5 Sekunden erschien eine dunkle zweite Linie. Ich habe sofort geschrien und meinen Mann gerufen. Wir haben uns so unglaublich gefreut! Ich hätte also mit 28 mein Sommerbaby gehabt. Genau so, wie ich mir alles vorgestellt habe!

Alle haben sich gefreut und gejubelt, als wir davon erzählten. Ich habe mich viel gesünder ernährt, Yoga gemacht, Stress vermieden so gut es ging: Ich wollte alles tun, damit es unserem Baby gut ging. Der erste Ultraschall war das schönste, was ich jemals gesehen habe.

In der zwölften Woche war dann schon ein kleiner Mensch zu sehen. Alles zeitgerecht entwickelt. Ich war einfach der glücklichste Mensch der Welt. Mein Bauch fing an, zu wachsen und ich hatte eine kleine Minikugel.

In der 16. Woche war eigentlich kein Ultraschall vorgesehen. Aber ich habe dann auf Wunsch trotzdem einen machen lassen. Ich wollte einfach sehen, wie es unserem Baby geht. Das Geschlecht wollten wir uns nie sagen lassen, auch das sollte eine Überraschung werden.

Dann begann ganz plötzlich die schlimmste Zeit in meinem Leben.

Der Arzt war ungewohnt ruhig. Das Ultraschallbild war so schön, ein kleiner fast fertiger Mensch. Nur: Dieser kleine Mensch lag so komisch gekrümmt in meinem Bauch. Und schlimmer: Ich sah keinen Herzschlag!

Ich fragte noch, ob ich mich anders hinlegen sollte. Der Arzt schüttelte den Kopf und sagte, er könne keinen Herzschlag finden. Ich war wie betäubt und wusste nicht was ich sagen soll. Ich hab doch nichts falsch gemacht und wir waren doch schon so weit! "Dass so etwas so spät passiert ist ungewöhnlich, kann aber leider vorkommen", sagte der Arzt.

Mein Mann hielt mich ganz fest und wir weinten, und versuchten zu verstehen. Der Arzt erklärte uns, ich müsse ins Krankenhaus.

Irgendwie war mir schnell klar, dass ich unser Baby tot zur Welt bringen muss. Ich wollte das aber nicht... Wir fuhren nach Hause, ich konnte nicht reden und nur aus dem Fenster starren und weinen. Ich rief im Krankenhaus an. Sie sagten: Ich solle am besten sofort kommen. Vorher kamen noch meine Mama und meine Schwester. Es war für alle unerträglich. Denn: Ins Krankenhaus durfte ich nur alleine wegen Corona.

Ich hab mich in meinem Leben noch nie so alleine gefühlt. Als ich endlich aufgerufen wurde, wurde nochmal lange nach einem Herzschlag gesucht und ich hatte immer noch kleine Hoffnungsschimmer. Als dann die Ärztin auch den Tod bestätigte, hatte ich das Gefühl ein Teil von mir stirbt gerade. Ich fühle mich wie eine leere Hülle, gleichzeitig voll mit Schmerz. Ich kam auf eine Paliativstation, um keine Babys schreien zu hören.
Eine Seelsorgerin kam, um mich zu unterstützen. Mein totes Baby in mir war zu groß für eine Ausschabung, aber zu klein, um ohne Hilfe auf die Welt zu kommen.

So bekam ich die erste Tablette zum Wehen und Blutungen einleiten. Ich hatte so Angst, diese Tablette zu nehmen, weil ich wusste, dann ist alles vorbei. Nach Stunden voller Heul- und Schreikrämpfe habe ich sie dann geschluckt. Das erste Mal Aufwachen nach der Diagnose war das Schlimmste.

Als Schwangere träumt man oft, dass etwas mit dem Baby nicht stimmt. Dann wacht man auf, und alles ist gut. Wenn es das aber plötzlich nicht mehr ist, sondern alles Realität ist, ist der Schmerz unbeschreiblich.

Ich bekam einen Nervenzusammenbruch und musste von der Nachtschwester beruhigt werden. Vier Tage und viele Tabletten später passierte immer noch nichts. Ich konnte einfach nicht los lassen. Ich wollte aber auch nicht mehr alleine sein mit meinem Schmerz. Meinen Mann habe ich immer nur kurz draußen getroffen. Irgendwie habe ich eine harte Schale um mich gebaut - Ich konnte ganz normal darüber reden und habe meine Familie und Freunde eher getröstet als anders herum.

Am 5. Tag wurden mir dann am Abend Stäbchen in den Muttermund gesetzt, um ihn zu weiten und Wehen zu fördern. In dieser Nacht habe ich mich dann verabschiedet. Habe mit meinem toten Baby geredet, dass es gehen darf, ich es begleiten werde und es nicht alleine ist. Ich wurde dabei ganz ruhig. Ich hatte leichte Wehen, etwas stärkere Schmerzen als die Regelschmerzen und in regelmäßigen Schüben. In dieser Nacht durfte auch mein Mann bei mir schlafen. Am nächsten Tag kam ich an den Wehentropf. Jetzt wollte ich auch, dass es vorbei ist. Es war ein Tag vor meinem 28. Geburtstag und ich wollte nach Hause.

Die Wehen wurden irgendwann extrem. Ich hatte keine Zeit mehr zum Durchatmen, mein ganzer Körper war ein einziger Krampf und ich dachte, mich zerreißt es gleich. Die Hebamme kam sofort. Dann wurde der Druck immer größer und die Fruchtblase platzte. Ich weinte einfach nur noch und mir wurde klar: Jetzt ist es vorbei.

Ich bekam ein so starkes Schmerzmittel, dass ich die Wehen nur noch daran erkannte, dass schwallartig Flüssigkeit aus mir lief. Der Arzt kam und machte einen Ultraschall. Das Baby war nicht mehr in der Gebärmutter, kam aber auch nicht weiter. Mir wurde ein Blasenkatheter gelegt, weil meine Blase so voll war, dass kein Platz fürs Baby war. Mir war irgendwie alles egal. Dann sollte ich einmal pressen und schon war mein totes Baby geboren. Mein Mann durfte dabei sein. Es war sofort klar, dass mein Baby krank war.

Es war ein kleines, süßes Mädchen. Wir nannten es Stella. Unser Sternchen. Stella hatte eine Omphalozele: Die Innereien waren in die Nabelschnur gewachsen. Ich kam sofort in den OP zur Ausschabung. Erst als ich danach wach wurde, habe ich mich verabschiedet. Ich habe ihre kleine Hand gehalten.

"Es war besser für Dich, Du solltest doch ein gutes Leben haben und gesund sein." Gedanken wie diese gingen mir durch den Kopf. Es war beruhigend zu wissen, dass die Natur einen Grund hatte.

Die nächsten zwei Wochen dachte ich, mein Leben ist vorbei. Ich lag nur auf dem Sofa und konnte nicht(s) mehr. Wollte nichts mehr. Ich schrieb einer Therapeutin und bekam sofort einen Termin. Sie ermutigte mich, wieder Struktur in meinen Tag zu bekommen. Ich fing wieder an, den Haushalt zu erledigen. Es fiel mir schwer, aber ich merkte schnell, dass Ablenkung gut tat. Das Wetter wurde schön und ich fuhr wieder mein geliebtes Motorrad.

Ich klammerte mich fest an den positiven Dingen. Ich wusste, es war besser so und Stella geht es jetzt gut, da wo sie ist. Ich bin froh, dass ich im Krankenhaus so viel Zeit für mich und Stella hatte und sie zur Welt bringen durfte. Wäre es durch eine Ausschabung plötzlich vorbei gewesen, hätte ich mich nicht so verabschieden können. Mir hilft es sehr, die positiven Dinge zu sehen. Das hat mich verändert und ein Teil von mir wird immer traurig sein. Aber sie wird immer mein erstes Baby bleiben und ich weiß, dass ich alles getan habe, dass es ihr gut geht. Auch nachdem ihr kleines Herz aufgehört hat, zu schlagen.

In vier Wochen ist die Beerdigung. Ich werde Stella einen Brief schreiben und ihr erstes Söckchen mit ins Grab legen.

Ich möchte allen, denen Ähnliches passiert ist, Mut machen:
Das Leben ist nicht vorbei, auch wenn es sich so anfühlt. Tut euch Gutes und macht, woran Ihr Freude habt. Euer Baby hätte nicht gewollt, dass es euch immer schlecht geht!

Mein Mann und mich hat das alles noch mehr zusammengeschweißt. Wir freuen uns darauf, eine Familie zu werden. Wir werden es wieder versuchen, aber nichts erzwingen. Ich habe Angst, wie ich damit umgehen werde, wieder schwanger zu sein. Dass alles wieder hoch kommt und ich nur von Ängsten geplagt werde. Aber ich lasse es auf mich zukommen und werde dann damit umgehen lernen, egal was passiert.

Ich vermisse meine Stella ☆

Ich habe Tage, an denen ich die Zeit zurückdrehen will und denke, es war alles perfekt und ich will das wieder zurück. Aber dann denke ich mir, Stella möchte bestimmt nicht, dass ich traurig bin. Es geht ihr jetzt gut und wir werden sie immer lieben.

Das Ende vom Anfang – Manuela
Manuela (28)Hörakustikerin

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Paula

Am 29.03.2021 veröffentlicht.
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Freude und Glück. Trauer und Hass.

Am 09.06.2021 veröffentlicht.