Sandra (34)

Ein harter Weg

Sandras Geschichte ist extrem. Sie erfuhrt in der 32. Woche, dass ihr Kind nicht lebensfähig ist. Vier Wochen später bringt sie ihren Sohn tot zur Welt. Danach wird sie nochmal zwei Fehlgeburten haben, bis sie endlich einen Sohn bekommt. Doch auch bei der Folgeschwangerschaft danach kommt es aufgrund des Zytomegalievirus wieder zu Komplikationen.

Nachdem mein Mann und ich im August 2020 geheiratet haben, gingen wir direkt danach die Familienplanung an. Es hat beim erstem Versuch geklappt und wir freuten uns wahnsinnig auf unseren kleinen Carlo. Alle Untersuchungen waren unauffällig, wir machten auch den Harmony (NIPT-Test), der keine Auffälligkeiten finden konnte.

Ich hatte eine Traumschwangerschaft und begann ab ca. der 25. Woche, das Kinderzimmer herzurichten. Beim letzten großen Ultraschall in der 32. Woche sollte sich das Blatt aber leider wenden. Mein Gynäkologe fand sehr viel Wasser im kleinen Carlo: mit seinem US-Gerät zunächst nur im Rumpf, aber dennoch deutlich. Er hat mich direkt am nächsten Tag ins Krankenhaus zu weiteren Untersuchungen geschickt. Trotz strenger Corona-Maßnahmen durfte mein Mann mit. Das zeigte mir schon, dass es etwas Ernstes war.

Die Ärzte fanden erstmal nichts weiter als das Wasser und planten bereits einen Kaiserschnitt zwei bis drei Tage später, um Carlo außerhalb besser helfen zu können. Um sicherzugehen, dass mit seinem Herzchen alles in Ordnung ist, überwiesen sie mich zusätzlich vorher noch in die Uniklinik.

Dort haben sie am nächsten Tag einen schweren Herzfehler vorgefunden, der leider nicht operabel war. Sie gaben Carlo noch ca. eine weitere Woche, bis sein Herzchen aufhören würde, zu schlagen. Klein Carlo hätte nur mit einem Spenderherz überleben können. Dazu hätte er zunächst das Neugeborenen-Alter erreichen müssen (also noch acht Wochen kämpfen) und dann hätte auch erst ein passendes Herz verfügbar sein müssen. Mit der aktuellen Prognose gab es also keine Chance mehr für ihn, und wir mussten ihn gehen lassen.

Zunächst wollte ich sofort einen Kaiserschnitt, um aus der Situation herauszukommen, entschied mich aber dann doch abzuwarten und ihn auf natürlichem Weg zur Welt zu bringen. So wollte ich ihn auch ursprünglich zur Welt bringen und daran sollte diese Diagnose nun nichts ändern. Das wollte ich mehr für ihn als für mich.

Also, wartete ich darauf, dass er bereit war zu gehen, was tatsächlich noch vier unendlich lange Wochen dauerte. In der 36. Woche brachte ich ihn dann mit Hilfe einer Geburtseinleitung zur Welt. Man sah ihm seine Krankheit an, wodurch es uns etwas leichter fiel, zu akzeptieren, was passiert ist. Wir hatten genügend Zeit, uns in Ruhe von ihm zu verabschieden und verließen das Krankenhaus noch am darauffolgenden Morgen.

Was uns sehr viel Trost spendete, war die Art seiner Bestattung. Mit Hilfe von "Tree of Life - Baumbestattungen" war es möglich, dass wir Carlos Asche mit dem Baum unserer Wahl pflanzen konnten. Dieser verblieb dann ein paar Monate im Gewächshaus in den Niederlanden, bis er gut durchwurzelt war und wir ihn nach Hause geliefert bekommen haben. Es wurde wohl herausgefunden, dass in der menschlichen Asche alle Nährstoffe vorliegen, die eine Pflanze zum Wachsen braucht. Nun werden wir Carlo also dennoch irgendwie (auf)wachsen sehen; bei uns zu Hause im Garten als Japanische Zierkirsche. Und irgendwann wird er ein stattlicher Baum sein.

Nach diesem Schicksal war unser Kinderwunsch größer als je zuvor. Ich wollte am liebsten sofort wieder in der 32. Woche schwanger sein und die letzten acht Wochen bis zum Happy End genießen können. Leider folgte aber zunächst ein früher Abgang im August 2021 und dann eine Fehlgeburt in der 9. Woche im Oktober 2021.

Im Januar 2022 wurde ich wieder schwanger. Es folgten neun harte Monate mit vielen Sorgen und Zweifeln. Trotzdem gab es viele Momente, in denen ich die Schwangerschaft genießen konnte, bis im September 2022 unser Sohn L. geboren wurde. Endlich hatte ich ein wenig Vertrauen zu meinem Körper zurück: Ich war in der Lage, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen.

Im November 2023 wollten wir einen nächsten Versuch starten und L. ein Geschwisterchen schenken. Im Dezember bin ich schon schwanger geworden, aber auch das sollte nicht sein: In der 11. Woche bekam ich die Info, dass ich mich erstmals mit CMV, dem Zytomegalievirus, infiziert habe. Und zwar zu Beginn der Schwangerschaft bzw. kurz davor, was die schwersten Folgen für das Ungeborene haben kann. Schweren Herzens entschieden wir uns für einen Abbruch in der 12. Woche im Februar 2024. Meine Angst, nochmal ein Kind tot zur Welt zu bringen, war viel zu groß. Das hätte ich psychisch nicht verkraften können.

Uns wurde eine "Zwangspause" auferlegt, bis das CMV vollständig verheilt war, und im Juni 2024 wurde ich wieder schwanger − bis jetzt. Wir erwarten ein kleines Mädchen. Bisher sieht alles unauffällig aus und die Kleine zappelt täglich sehr viel, was mich sehr beruhigt. Trotzdem sitzt die Angst tief, dass noch etwas Unterwartetes passieren könnte. Ich versuche, positiv zu denken und hoffe, dass die letzten 15 Wochen schnell vorüber gehen, und wir die kleine Maus schon bald gesund in den Armen halten können.

Trotz vieler Rückschläge haben wir nicht aufgegeben. Nach der Totgeburt, dem frühen Abgang und der Fehlgeburt hatten einige schon gezweifelt, ob wir überhaupt ein gesundes Kind bekommen könnten. Aber ja, das können wir. Wir waren humangenetisch komplett untersucht worden und wussten, dass das leider alles nur schreckliche Zufälle wären, die uns direkt nacheinander trafen.

Es war und ist noch ein harter Weg, den wir gehen − hoffentlich zu viert mit unserem Carlo, der im Himmel über uns wacht.

Das Ende vom Anfang – Sandra
Sandra (34)

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