Michaela (35)Physiotherapeutin

Unsere kleine Seele

Michaela hat hintereinander zwei Fehlgeburten. Bei der zweiten führt sie selbst eine Stille Geburt mit Cytotec durch. Sie wünscht sich nichts sehnlicher, als dass ihre kleine Seele endlich auf die Welt kommt.

Zwei Monate nachdem ich die Pille abgesetzt habe, hielt ich einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand. Wir waren völlig aus dem Häuschen vor Freude, und konnten es gar nicht fassen, dass es so schnell geklappt hat. Mein Mann und ich haben schon nach fünf Tagen darüber gesprochen, in welcher Farbe wir das Kinderzimmer streichen werden.

Mittwochabend begonnen meine Krämpfe im Unterleib. Donnerstag morgen trat die Blutung ein. Ich war arbeiten, wusste nicht was passiert. Die Krämpfe nahmen zu und ich merkte, dass etwas nicht stimmt. Meine Hebamme wies mich darauf hin, dass es sich um eine Fehlgeburt handeln könnte. Nach weiterem Blutverlust und Krämpfen erklärte mir die Hebamme, dass sich der Verdacht auf die Fehlgeburt bestätigte. Der Wunsch und die Hoffnung, unsere kleine Seele heranwachsen zu sehen und kennen zu lernen, ist wie eine Seifenblase zerplatzt.

Ich habe das Wochenende im Bett verbracht, geweint und mir einen Podcast angehört, der mir sehr geholfen hat. ("Unausgesprochen" mit Hebamme Kareen Dannhauer)

Mein Mann, meine Familie und meine Freunde waren mein Halt und Trost. Ich war nicht alleine. Und doch fühlte ich mich so alleine. Am Montag war ich wieder arbeiten. Weinte heimlich auf der Toilette. Nach einer Weile habe ich mehr Menschen davon erzählt, dass ich eine Fehlgeburt hatte. Ich habe sehr oft erfahren, dass Menschen die Neigung haben, etwas dazu sagen zu müssen. So etwas wie: „Ach, das war ja noch ganz am Anfang, dann war es bestimmt besser so“.

Zwei Wochen nach der Fehlgeburt hatte ich einen Termin für einen Ultraschall, um zu sehen, ob alles abgegangen ist. So hatte ich mir meinen ersten Ultraschall im Zusammenhang einer Schwangerschaft nicht vorgestellt. Monate vergingen. Der Schmerz saß tief. Ich habe mir ein Tattoo stechen lassen, das meinen Mann, mich und die kleine Seele verbindet, um es wortwörtlich immer mit mir zu tragen. Fünf Monate nach unserem Verlust merkten wir, dass wir wieder bereit waren, es zu probieren.

Am 2. Tag unseres Sommerurlaubs hielt ich erneut einen Schwangerschaftstest in meinen Händen. Wir haben uns gefreut, aber waren zugleich auch sehr verhalten mit unserer Euphorie. Wir hatten Angst. Angst, dass es wieder nicht gut gehen wird. Mir wurde selbst allerdings schnell klar, dass ich meine Schwangerschaft nicht mit dieser Angst erleben will. Ich wollte so gern, dass ich es einfach alles passieren lassen kann. Mich dem hingeben kann, was eine Frau in einer Schwangerschaft fühlt und erlebt.

Nach einigen Tränen, vor allem, wenn ich an die erste kleine Seele und den Verlust dachte, habe ich mich endlich gut gefühlt. Keine Blutungen, keine Krämpfe. Nach dem Urlaub hatten wir in der 6. SSW einen Termin für den ersten Ultraschall. Wir waren sehr aufgeregt und nervös. Aber, hey! Was sehen wir da? Einen kleinen und schnellen Herzschlag. Unsere kleine Seele hat es geschafft und wir konnten sie endlich sehen. Wir durften drei Wochen später zurückkommen für einen Ultraschall in der 9. Woche. Wir waren wieder aufgeregt und nervös, aber auch voller Hoffnung. Und ja. Das war das Ende vom Anfang.

In der Woche, in der meine erste Schwangerschaft ungefähr ausgerechnet war, haben wir erfahren, dass die zweite Schwangerschaft auch zu Ende war. Auf dem Ultraschall konnten wir unsere kleine Seele sehen, den Kopf, den Körper, kleine Ärmchen und Beine. Drei Tage vor unserem Ultraschalltermin hat wohl das Herz aufgehört zu schlagen, und der Wachstum stoppte. Ich starrte auf die Wand, auf das Bild des Ultraschalls, auf meine kleine Seele und suchte nach dem Herzschlag. Die Autofahrt nach Hause war still. Unser Herz war gebrochen.

Ich wollte meinem Körper die Chance geben, die kleine Geburt selbst einzuleiten. Auch um den Beweis zu haben, dass das kleine Herz wirklich nicht schlägt und mein Körper den Rest von selbst regelt. Die Tage vergingen. Ich fühlte mich so schwanger wie eh und je. Es passierte nichts und ich merkte, wie ich mehr und mehr daran zweifelte, ob das kleine Herz nicht doch schlägt und es nicht gesehen wurde. Ich habe mit meiner Hebamme telefoniert und sie sagte, dass sie mich zur Gynäkologin überweisen will. Dort wird sowieso noch ein Ultraschall gemacht und ich kann nochmal nach dem Herzschlag schauen, mir meine Zweifel nehmen lassen, Abschied nehmen von der kleinen Seele, und mit Cytotec-Tabletten nach Hause gehen.

Gesagt, getan. Ich habe den Tag danach die Cytotec vaginal eingeführt und eine Stunde später die Gebärmutterkontraktionen gefühlt – ich hatte meine ersten Wehen, die kleine Geburt begann. Mit Paracetamol und wechselnden Positionen konnte ich die Wehen durchstehen. Ich hatte mir mein Bett mit Inkontinenzunterlagen und Handtüchern ausgelegt, um so die Möglichkeit zu haben, die kleine Geburt im Bett durchzuführen.

Ich konnte die Tabletten erst um 17 Uhr einnehmen und wusste demnach nicht, ob ich mitten in der Nacht entbinden werde. Letztendlich kam um 21 Uhr der erste Schwall Blut. Um 23.30 Uhr hatte ich wieder verstärkt Wehen und merkte, während ich im Vierfüßlerstand war, dass sich der nächste Schwall ankündigt. Ich bin direkt ins Bad gegangen, mein Mann folgte mir. Es fiel ein Handteller großes Stück Gewebe auf den Duschboden. Ein Embryo war nicht zu erkennen.

Ich legte mich zurück ins Bett und wartete ab. Die Wehen nahmen ab und ich konnte ein wenig schlafen. Am nächsten Morgen habe ich das Stück Gewebe genau untersucht. Ich merkte, dass ich gerne den Embryo gesehen hätte, um besser zu verstehen, was passiert ist. Da ich ihn nicht gesehen habe, bestand die Chance, dass er noch nicht abgegangen ist. Ich wiederholte den Prozess mit den Cytotec-Tabletten nach 24 Stunden erneut. Außer Wehen und Blutungen passierte nichts.

Im Allgemeinen war meine Blutung nicht stärker als die einer leichten Periode. Ich musste wieder zur Gynäkologin und einen Ultraschall machen lassen, um zu sehen, ob der Embryo meinen Körper verlassen hatte. Nachdem ich meine leere Gebärmutter gesehen habe, war ich erleichtert, dass es geklappt hat und gleichzeitig breitete sich eine Leere in meinem ganzen Körper aus.

Das aufgefangene Gewebestück habe ich in eine kleine Holzkiste gelegt, und es zusammen mit meinem Mann begraben. Der Embryo ist im Laufe des Prozesses leider zerfallen und war deshalb nicht sichtbar für uns. Die kleine Beerdigung hat mir sehr mit der Verarbeitung meines Verlusts geholfen. Meine erste Periode nach der kleinen Geburt sorgte dafür, dass die Plazenta- und Blutreste ausgeschieden werden konnten.

In diesem ganzen Prozess wurde ich ganz wundervoll von meiner Hebamme und meiner Doula begleitet. Unsere kleine Seele wird es schaffen, und zu uns zurück zu kommen, und ich vertraue darauf, dass sie es auch irgendwann auch schaffen wird, bei mir zu bleiben und wir uns endlich kennen lernen können.

Michaela ist aktuell im 3. Trimester schwanger. Ihre kleine Seele ist ein Mädchen, das im Sommer zur Welt kommen soll. Die ersten 12 Wochen waren mental schwer für sie, aber mit der voranschreitenden Schwangerschaft stellte sich Zuversicht ein.

Das Ende vom Anfang – Michaela
Michaela (35)Physiotherapeutin

Ich liebe Himbeereis, und mein Seelenheil sind mein Mann, meine Familie und Freunde. Die alle auf einem Haufen machen mich zum glücklichsten und reichsten Menschen.

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Am 30.01.2025 veröffentlicht.
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