Anke (33)Erzieherin

Der Verlust von Schwangerschaft und Lebensenergie

Ankes Glück war nur von kurzer Dauer. Der Weg des Abschieds und der Trauer sind dagegen lang. Der Bericht einer stillen Geburt.

Meine Geschichte beginnt genau genommen vor sechs Jahren, als mein (inzwischen) Ehemann und ich für ein Kind bereit waren. Nach 2,5 Jahren schickte meine Frauenärztin uns zu einer Kinderwunschbehandlung. Nach einem weiteren erfolglosen Jahr wechselten wir eigenständig zu einer Privatklinik mit ganzheitlichem Ansatz.

Ich war inzwischen in therapeuthischer Behandlung, auch weil ich meine Mutter in dieser Zeit verloren hatte.
Ich kann nur jedem empfehlen, diesen schwierigen, emotionalen Kinderwunsch-Weg nicht alleine zu gehen.
In der Privatklinik hatten wir auch etliche Versuche hinter uns und ich war, trotz Therapie, am Ende. Ich begann also meine letzte Behandlung — egal, wie sie ausgehen würde.

Ich wurde schwanger. Das waren die schönsten Wochen seit langer, langer Zeit in meinem Leben. Als Erzieherin erhielt ich sofort ein Beschäftigungsverbot. Der neue Alltag, plötzlich zu Hause, die vielen Tage mit ganztägiger Übelkeit, die Geruchsempfindlichkeit... Ich ertrug das alles strahlend und glücklich.

In der 7. SSW konnte ich im Ultraschall das Herz schlagen sehen. Das war so ein bewegender Moment. Es war tatsächlich wahr! Nach all den Jahren war ich endlich schwanger mit einem winzigen Baby im Bauch.

In der 8. SSW hätte ich meinen Mutterpass bekommen. Ein so kleines, aber für mich wichtiges Dokument, auf das ich schon ewig hinfieberte. Ich drehte anfangs noch ein Video für meinen Mann, der aufgrund der Pandemie nicht mitdurfte. Aber es war kein Herzschlag mehr zu sehen und das Baby war nicht weiter gewachsen.

Ich kann diesen Moment kaum beschreiben. Es zieht einem einfach den Boden weg. Ich habe anfgefangen zu weinen und mich wieder zusammengerissen.

Die Frauenärztin nannte mir die Optionen einer Ausschabung oder zu Hause abzuwarten. Als sie merkte, dass ich nicht zuhörte, bot sie mir an, mich nochmal telefonisch zu beraten.

Ich fuhr nach Hause, und mein Mann und ich haben gemeinsam geweint. Wir waren schockiert, fassungslos und tief getroffen.

Warum mussten wir nach so jahrelanger Qual unser Baby wieder verlieren? Das war so unfair!

Wir haben im Laufe des Tages unsere Liebsten informiert. Es wussten ja auch alle über die Schwangerschaft Bescheid. Das Mitgefühl und die Anteilnahme tat uns beiden gut.

Am nächsten Tag telefonierte ich sowohl mit der Frauenärztin als auch mit meiner Kinderwunschärztin darüber, wie es weiter gehen kann. Ich habe zusätzlich mit meiner Hebamme gesprochen, unheimlich viel nachgelesen, und Hebammen-Podcasts gehört.

Ich habe mich für das Warten zu Hause entschieden.

Ein toller Satz meiner Kinderwunschärztin war: Dass ich jede Woche neu entscheiden kann. Wenn ich nach vier Wochen merke, das Warten ist mir zu viel bzw. emotional zu schmerzhaft, kann ich immer noch eine Ausschabung vornehmen.

Ich fand diesen Hinweis sehr tröstend und es nahm mir den Druck, mich jetzt entscheiden zu müssen. Durch die Podcasts wurde die emotionale Seite betont und dadurch sind viele wertvolle und nützliche Gedanken entstanden.

Ganz wichtig war für mich auch die Krankschreibung. Ich bin Erzieherin in einer Kinderkrippe, das macht es umso schwerer, sich nach einer Fehlgeburt mit Kindern zu umgeben.

Aber auch jeder anderen Frau möchte ich dazu raten, sich Zeit zu nehmen.

Bei mir kam die Trauer in Wellen und tageweise. Ich war dankbar, beruflich nicht funktionieren zu müssen, und habe nur gemacht, was gut für mich war. Das war eigentlich auch schon schwer genug.

Ich habe mich während meiner Recherchen zur stillen Geburt immer wieder bewusst mit meinem Kind auseinandergesetzt. Ich glaube, diese Gedanken und teilweise richtigen Zwiegespräche haben mir geholfen. Ich konnte mich langsam verabschieden. Habe die Schwangerenutensilien weggeräumt, die Glückwunschkarten.

Ich habe mit meinem Körper gehadert. Der war noch auf schwanger eingestellt und ich hatte zeitweise immer noch Übelkeit, Brustspannen und Unterleibsziehen. Nach zwei Wochen waren die Symptome endlich auch vorbei.

Nach drei Wochen Wartezeit hat meine Hebamme mir homöopathische Unterstützung gegeben. Nach vier Wochen setzte eine leichte Blutung ein. Nach vier weiteren Tagen mäßiger Schmierblutung kam an einem Freitagnachmittag eine hellrote normale Periodenblutung. Am Samstagmorgen bekam ich Unterleibskrämpfe und mittags begann die eigentliche Abblutung. Ich war erleichtert und aufgeregt und unendlich traurig. Meine Blutung ging über fünf Stunden.

Ich hatte viel gelesen und war auf die Menge des Blutes vorbereitet. Allerdings war ich überrascht, wieviel Gewebe mitkam. Es waren viele Gewebestücke und ich war irgendwann nur noch auf der Toilette, da die Binden ständig voll waren.

Nach 4,5 Stunden schied ich einen Tennisballgroßen, sehr weichen Gewebeklumpen aus. Dann war es vorbei.

Ich war körperlich erschöpft, aber es ging mir gut. Ich hatte auch gut auf mich geachtet, viel getrunken und mich warm eingepackt.

Am Sonntag haben mein Mann und ich einen bewussten Abschied genommen. Erst jetzt konnte ich das Ultraschallbild von der 7. SSW in eine Kiste packen. Mir hilft es, anderen zu erzählen, wie es mir geht und was ich erlebe.

Ich hatte daraufhin zwei Tage später erneut eine Ultraschallkontrolle. Die Ärztin entfernte Gewebereste, die im Gebärmutterhals steckten. Das war schlimm, besonders emotional. Leider waren auch noch Reste in der Gebärmutter. Meine Ärztin machte eine Woche später einen erneuten Ultraschall und diesmal sah es gut aus. Die Blutwerte weitere zwei Wochen später bestätigten es. Es war körperlich alles wieder zuvor.

Ich bin vier Wochen später immer noch krankgeschrieben. Ich kann meinen Job als Krippenerzieherin momentan nicht ausüben. Ich habe viele gute Momente, kann inzwischen wieder lachen und akzeptieren, dass dieses Kind nicht leben sollte.

Aber ich bin immer noch unheimlich traurig. Es schmerzt nicht nur der Verlust meines Kindes oder die verlorene Schwangerschaft, auf die ich so lange schon hoffe. Ich bin freudloser, stiller, ernster und sehr dünnhäutig.

Ich bin schon lange in Therapie und weiß, dass sich alles auch wieder ändern kann.

Aber mich schmerzt auch der Verlust meiner Lebensenergie.

Diese ganze Kindergeschichte raubt mir sehr viel Kraft.

Ich komme auch immer wieder an den ungerechten Punkt zwischen Mann und Frau. Diese körperliche Ungerechtigkeit ist in der Kinderwunschzeit, der Schwangerschaft und bei der stillen Geburt so immens groß. Und das Körperliche beeinflusst die Psyche. Es ist leichter, dies zu akzeptieren und wirklich anzunehmen. Aber es ist auch unheimlich schwer.

Liebe Frauen, ich wünsche euch Stärke, den ihr tragt sie alle in euch um diese schwere Zeit zu überstehen!

Das Ende vom Anfang – Anke
Anke (33)Erzieherin

Anke ist Erzieherin und sehr gerne in der Natur.

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Diagnose: Trisomie 13

Am 12.11.2021 veröffentlicht.
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12 Monate zwischen größter Trauer und unfassbarem Glück.

Am 10.02.2022 veröffentlicht.