Interview: "Weinen und Traurigkeit zulassen und viel darüber reden ist ganz wichtig."
"So sehr ich es mir gewünscht habe, es war nur dieses schwarze Loch ohne einen Herzschlag zu sehen." Beim Ultraschall in der 7. Woche sah Lena nur eine leere Fruchthülle. Die Diagnose: Missed Abort.
Das erste Mal schwanger werden war gar kein Problem und ging ratzfatz. Da mein Sohnemann kein Einzelkind bleiben sollte, sein Papa und ich aber nicht mehr die Jüngsten sind, haben wir beschlossen, gleich "nachzulegen". Das war aber diesmal gar nicht so einfach. Ein regelmäßiger Zyklus musste sich nach der Geburt erst mal wieder einstellen. Das hat gedauert. Dank Persona klappte es dann doch relativ schnell und ich hielt bald einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen. Die Freude war riesig und ich machte sofort einen Termin beim Frauenarzt aus.
Wann und wie hast du von deiner Fehlgeburt erfahren?
In der 7. Schwangerschaftswoche hatte ich meinen ersten Termin beim Arzt. Freudig gingen mein Liebster und ich hin und freuten uns, unser "Gummibärchen" auf dem Ultraschall zu sehen. Ich ging allein zur Ärztin. Mein Freund sollte draußen warten und später dazu geholt werden. Aber dazu kam es nicht. Auf dem Ultraschall sah man zwar eine Fruchthülle, aber ich vermisste sofort das kleine Puckern, das ich vom ersten Ultraschall meines Sohnes gekannt habe. Die Ärztin meinte, das könne vorkommen und das Kind sich noch verstecken oder meine Berechnung der Schwangerschaftswoche nicht zutreffen und ich solle doch in einer Woche nochmal wiederkommen.
Die Woche war schrecklich. Ich habe sie eigentlich nur mit Googeln nach Erfahrungen von anderen mit diesem Phänomen der leeren Fruchthülle verbracht und war hin und hergerissen, ob ich hoffen oder lieber vom Schlimmsten ausgehen sollte. Ich versuchte mir einzureden, dass mein Baby eines dieser seltenen "Eckenhocker" sein könnte. Dieser letzte Funken Hoffnung erlosch beim nächsten Ultraschall. So sehr ich es mir gewünscht habe, es war wieder nur dieses schwarze Loch ohne einen Herzschlag zu sehen.
Hattest du je damit gerechnet?
Nein, das traf mich völlig unerwartet. Ich dachte sowas passiert nur, wenn man Stress hat oder einen Unfall oder so etwas.
Was waren die medizinischen Schritte danach?
Ich bekam eine Einweisung ins Krankenhaus mit der hässlichen Diagnose "Missed Abort" zur Ausschabung.
Wie war die ärztliche Betreuung für dich?
Medizinisch habe ich mich gut betreut gefühlt, aber auf die Gefühle, die einen da so plagen, ist niemand eingegangen. Damit war ich sehr alleine. Als ich ein paar Monate später wieder schwanger war, habe ich beschlossen, erst später zum Frauenarzt zu gehen. Aber noch bevor ich meine ersten Termin machen konnte, bekam ich in der 11. Woche Blutungen. Da es natürlich ein Wochenende war, bin ich damit zur Notaufnahme gefahren. Hier ließ man mich ganze sechs Stunden warten, eine freche Frau drängelte sich noch erfolgreich vor und als ich endlich untersucht wurde, war keine Schwangerschaft mehr feststellbar. Das war alles andere als gut betreut.
Wie erging es dir die Tage bzw. Wochen darauf?
Ich war nach beiden Fehlgeburten unendlich traurig und habe mich immer gefragt, was ich falsch gemacht haben könnte und ob ich nie wieder Kinder bekommen kann. Ich war irgendwie leer und habe mich zu nichts aufraffen können.
Wie hast du das verarbeitet? Wie habt ihr das als Paar verarbeitet?
Mich hat mein kleiner Sohn gerettet. Er ist noch so klein und braucht eine Mama, die für ihn da ist. Auch hat er mich wieder zum Lachen gebracht und vor allem abgelenkt. Dafür bin ich unendlich dankbar. Mein Liebster ist zwar kein Mann großer Worte, aber er war für mich da in der ganzen Zeit.
Wie hat dein Umfeld darauf reagiert und welche Reaktionen von anderen hättest du dir gewünscht?
Ich habe eine ganz liebe Familie, die mir einmal mehr gezeigt hat, dass sie immer für mich da sind. Sie haben mir zugehört, mich in den Arm genommen. Das war ganz viel wert. Worte wie: "Sei froh, dass es so früh passiert ist" oder "Du hast doch deinen Sohn" sind irgendwie erstmal wenig hilfreich gewesen. Obwohl es natürlich stimmt. Schlimmer geht immer.
Warum sind Fehlgeburten deiner Meinung nach noch so ein großes Tabu?
Mir ging es etwa so, dass ich nicht mit jedem darüber geredet habe, weil man ja auch andere nicht belasten möchte. Ich hatte das Gefühl, dass ich sie hilflos mache, weil sie mich nicht trösten können.
Ein Satz von dir an eine Frau, die das Ganze akut durchmacht:
Hmm.. das fällt mir schwer. Jeder trauert und verarbeitet ja anders. Aber ich denke, Weinen und Traurigkeit zulassen und viel darüber reden ist ganz wichtig, um zu verarbeiten.
Nach der 2. Fehlgeburt bin ich sofort wieder schwanger geworden. Ich hatte gar nicht so schnell damit gerechnet und schon gedacht, dass ich wohl zu alt sei oder ähnliches. Aber diesmal war alles gut und ich darf seit ein paar Monaten meine kleine Tochter in den Armen halten.
Ich bin selbstständige Ergotherapeutin und Mama von zwei Kindern, einem Sohn (2) und einer kleinen Tochter (drei Monate). Wo ich schon immer mal hinwollte, ist Irland. Und mein Garten ist ein toller Ausgleich. Ich liebe Pflanzen vermehren und Gemüse, Beeren und Obst anzubauen. Am liebsten wäre ich irgendwann einmal Selbstversorgerin.