Franziska (32)Consultant

Eine früh erkannte Eileiterschwangerschaft

Franziska hatte eine Eileiterschwangerschaft, die lange nicht als solche zu identifizieren war. Wochenlanges Warten und Hoffen nahm so seinen Lauf. Dennoch wurde sie früh genug erkannt, um nicht in einem Notfall zu enden. Sie entschied sich für eine MTX-Spritze statt Operation.

Mein Mann und ich sind schon 15 Jahre ein Paar. Trotzdem haben wir uns mit dem Thema Kinder bewusst Zeit gelassen, zum einen, weil wir erst finanzielle Sicherheit aufbauen wollten, zum anderen, weil ich mir der Opfer, die Eltern bringen, sehr bewusst bin und es nie als meinen Traum bezeichnete, unbedingt Mutter werden zu müssen. Dementsprechend entspannt sind wir an das Thema herangegangen.

Wir haben die Pille abgesetzt und bereits im zweiten Zyklus war ich schwanger. „Läuft doch alles nach Plan“ war die Reaktion meines Mannes, als ich ihm etwas entsetzt den Schwangerschaftstest zeigte. Einen Termin beim Frauenarzt hatte ich dann direkt für die 8. SSW zum ersten Ultraschall vereinbart.
Ich freute mich dann auch sehr, war aber auch erschüttert, was eine Frühschwangerschaft so mit sich bringt und fragte mich, wie Frauen in diesem Zustand noch in irgendeiner Weise leistungsfähig sein können. Ich war es nicht.

Eines Nachts hatte ich dann extreme (mehr als sonst so in der Frühschwangerschaft) Unterleibschmerzen, fühlte mich fiebrig und hatte Schüttelfrost. Besorgt ging ich direkt am nächsten Tag zur Frauenärztin, da ich auf Dienstreise sollte und mich bei dem Gedanken echt nicht wohl fühlte. „Krankschreiben kann ich sie nur, wenn ich die Schwangerschaft bestätigen kann“ meinte meine Frauenärztin und bat mich zur Ultraschalluntersuchung.

In dieser war dann (bis auf eine perfekt aufgebaute Gebärmutterschleimhaut und ganz viele Hormone im Bauch) nichts. Normalerweise sollte man in der 6. SSW bereits eine Fruchthöhle erkennen. Meine Ärztin meinte, es sieht eher nach Abgang aus, es kann aber auch sein, dass man einfach noch nichts sieht oder dass ich mich in der SSW verrechnet habe. Mir wurde Blut abgenommen.

Zur Dienstreise bin ich dann gefahren. Im Zug wurde ich angerufen und ich wurde erneut zur Blutabnahme gebeten, da die Ergebnisse nicht eindeutig seien. Da kam dann überraschenderweise ein ordentlicher HCG-Schub raus (so wie es sein soll) und meine Ärztin wurde wieder optimistischer. Hätte ich eine Fehlgeburt gehabt, wäre mein HCG nicht so gestiegen. Ich sollte in einer Woche wiederkommen. Dann muss man was sehen.

Aber man sah nichts. Man sah aber auch keine Auffälligkeiten am Eileiter und keine Flüssigkeit. Von nun an begann ein wochenlanger Prozess, bei dem ich alle drei Tage erst bei der Frauenärztin, später im Krankenhaus, antrat. Mir wurde Blut abgenommen und bei den Untersuchungen wurden immer wieder eine leere Gebärmutter, unauffällige Eileiter und keine Blutungen im Bauchraum festgestellt. Nur mein HCG Wert ist immer weiter gestiegen. Zwar nicht so schnell wie bei einer intakten Schwangerschaft, aber er ging stetig hoch.

In dieser Zeit bekam ich genaue Anweisungen, bei welchen Anzeichen ich sofort ins Krankenhaus müsse, ich könnte jederzeit ein medizinischer Notfall werden. So habe ich dann die Hochzeitsfeier meines Bruders verpasst, weil ich nicht reisen sollte. Es war eine sehr schwere Zeit. Körperlich hatte ich die normalen Anzeichen einer Schwangerschaft, auf Arbeit war mir selbst die kleinste Herausforderung plötzlich viel zu viel und mental war ich am Ende. Zum Glück hatte ich neben meinem Mann noch ein paar enge Freunde und Verwandte, mit denen ich reden konnte. Allein hätten mein Mann und ich das niemals durchgestanden.

Irgendwann blutete ich wieder und die Ärzte hofften, dass mein Körper die vermutete Eileiterschwangerschaft nun selbst geregelt hatte. Mein HCG-Wert stagnierte nun zwar, fiel aber nicht ab. Irgendwann hatte dann eine Ärztin plötzlich doch etwas im Eileiter entdeckt, was es hätte sein können. Sie holte sich dann das gesamte anwesende Frauenärzteteam der Klinik dazu, der Chefarzt war am Telefon, alle begutachteten und diskutierten mein Ultraschallbild, während ich auf dem Gyn-Stuhl saß und nur noch weinte. Aus Trauer und Erleichterung zugleich.

Mein Mann und ich hatten nun drei Optionen. Wir konnten abwarten, bis mein Körper die Sache selbst regelte. Das könne jedoch noch Wochen dauern und ich wäre weiterhin in großer Gefahr, dass mein Eileiter reißen könne. Eine OP hätten die Ärzte zwar auf meinen Wunsch gemacht, aber das Zellhäuflein war zu klein, um es wirklich genau zu lokalisieren. Also entschieden wir uns für die dritte Methode, die Verabreichung einer MTX-Spritze, einem Zellgift, das die Schwangerschaft beendet.


Ich hatte großen Respekt vor diesem Medikament, da es ja normalerweise (in viel größerer Dosierung) an Krebspatienten verabreicht wird. Zudem wird empfohlen, nach der Medikamenteneinnahme eine Weile nicht schwanger zu werden. Wie lange, da sind sich die Experten nicht einig, manchmal heißt es 3, manchmal 6, manchmal 12 Monate. Im Krankenhaus musste ich dann 6 Monate unterzeichnen.

In meiner 11. SSW musste ich dann auf die Krebsstation im Krankenhaus, wo mir zwischen lauter Krebspatentinnen, die dort ihr Chemotherapie über sich ergehen lassen mussten, die Spritze verabreicht wurde. Erst ganz langsam die Spritze und anschließend ein Tropf mit Wasser. Nach einer dreiviertel Stunde war ich dann wieder draußen und direkt am nächsten Tag ging es mir schon viel besser. Die Schwangerschaftssymptome waren so gut wie weg, was unglaublich erleichternd war. Bei den Folgeuntersuchungen ist der HCG-Wert dann nach und nach gesunken, bis er irgendwann die Nachweisbarkeitsgrenze unterschritten hat.

Im Nachhinein bin ich sehr dankbar für die Arbeit der Ärzte. Sie haben die Eileiterschwangerschaft früh vermutet, haben aber, solange es auch nur die geringste Chance auf ein Wunder gab, keine voreilige Behandlung eingeleitet. Auch die MTX-Spritze haben sie mir nicht einfach so verschrieben, die Hoffnung war, dass mein Körper es selbst regeln könne. Auch wenn es ein nervenzerreißender Prozess war, bin ich letztendlich sehr froh darüber, wie das alles gelaufen ist.

Zurückgeblieben bin ich mit all meinen Emotionen. Das Ganze ist jetzt 3,5 Monate her. Es geht mir besser, aber noch lange nicht gut. Ich habe mir immer vorgestellt, dass Fehlgeburten furchtbar sein müssen, aber der tatsächliche Schmerz ist noch so viel schlimmer. Was mir hilft ist reden, reden, reden und zu wissen, dass ich nicht allein bin. Dass es so viele Frauen gibt, die diesen Schmerz kennen und für die das Thema Kinderkriegen jegliche vermeintliche Leichtigkeit und Romantik verloren hat.

Wir werden es nach den 6 Monaten wieder versuchen. Ich versuche vom ganzen Herzen, zuversichtlich zu sein, aber ich habe große Angst, dass sich dieses Erlebnis wiederholt, dass hinter dieser Eileiterschwangerschaft nicht nur Pech, sondern eine Ursache liegt, die erst einmal herausgefunden werden muss. Oder auch dass es das nächste Mal eine gewöhnliche Fehlgeburt werden könnte, dann wäre es wieder einmal „Pech gehabt“ oder „Sowas passiert“. Diese gebundenen Hände, die Tatsache, dass man hier seinem Schicksal so ausgeliefert ist und nichts tun kann, das macht mich wirklich fassungslos.

Ich wünsche mir, dass Frauen aller Generationen offener über Ihre Erlebnisse sprechen, damit sich die Betroffenen weniger kaputt fühlen. Vom System verlange ich, dass man nach solch einer Erfahrung nicht um Krankschreibungen betteln muss bzw. der Willkür des jeweiligen Arztes so ausgeliefert ist. Ich habe einen großartigen Arbeitgeber, der mir viel Freiraum gegeben hat, aber das kann so nicht vorausgesetzt werden.

Jetzt sitze ich hier und schreibe meine Geschichte auf, als Teil meines Heilungsprozesses. Meine Gedanken drehen sich tagein, tagaus nur um meinen Kinderwunsch. Die immer wiederkehrende Frage von Unwissenden, wann es denn bei uns so weit sei, die ich zuvor schon als unverschämt empfunden habe, macht mich wahnsinnig traurig. Ich versuche wieder zu mir selbst zu finden. Ich versuche mich an die Frau zu erinnern, dessen Lebenssinn nie die Familiengründung war. Ich habe so viel mehr zu bieten, als das (Nicht)-Muttersein, aber es fällt mir schwer, mich daran zu erinnern.

Das Ende vom Anfang – Franziska
Franziska (32)Consultant

Vorheriger Bericht Susan (32)

Intuition, Schmerz, Erschöpfung, Hoffnung

Am 22.02.2023 veröffentlicht.
Nächster Bericht Julia (31)

Vom zweiten Wunschkind, das viel zu schnell ging

Am 24.02.2023 veröffentlicht.